Auf legendären Pfaden

 

Heute war das Ziel der Gruppe das legendäre Hambacher Schloss bei Neustadt, die Wiege der deutschen Demokratie.

Der erste Teil der 17 Kilometer ging wunderschön durch den Wald, aber ein überraschend großer Teil der Strecke, 7 Kilometer, war purer Sand, so dass der Wagen mit der Art 20 Tafel mit vereinten Kräften gezogen werden musste, um nicht immer wieder im Sand stecken zu bleiben. Sehr symbolisch auf dem Weg zu diesem Ziel. Aber der Pfälzer Wald bot auch seine schöne Seite dar, mit seinem wunderbaren Waldgeruch entschädigte der die Wanderer bei jedem Atemzug für die Strapazen.

Danach gab es die inzwischen schon obligate und jedes Mal verdiente Rast bei einem Eis, auch diesmal wurden unserer Wanderer wieder von Unterstützern dazu eingeladen. Solchermaßen gestärkt ging es den Berg hoch zum Schloss. Der Weg war steil, teils bestand er fast nur aus dicken Steinen, teils war er mit Ästen übersäht und von Wildschweinen durchwühlt. Rings um wuchsen große Buchen und üppige Esskastanien, worüber sich die Wildschweine im Herbst freuen werden.

Oben angekommen lagen alle erst einmal erschöpft am Boden. Der Himmel war bewölkt, aber die riesigen Regenfälle gingen nur über Mannheim und der Umgebung nieder, das Hambacher Schloss blieb ausgespart und so konnten unsere Künstler, das Spektakel und den weiter Blick über das Land, das große Rheintal, genießen. Matt zupfte sanft an den Radspeichen des Handkarrens und was erstaunlicherweise harmonische Töne erklingen ließ.

Ein freier Journalist, der am Schloss dazugekommen war, machte mit Ralph ein Interview über die Reise und Fotos mit der berühmten Kulisse. Bevor es gerade noch rechtzeitig an den Abstieg ging, so dass das Gewitter über Neustadt erst richtig losbrach, als alle müde und erschöpft in Nachtquartier angekommen waren.

Es sei unglaublich gewesen erzählt Ralph, „nicht nur Blitze und Donner, sondern ein dauerndes Grummeln und der ganze Himmel war grün vor Wetterleuchten, die Blitze schienen garnicht auf die Erde zu kommen, sondern kreuz und quer durch den Himmel zu jagen. Das Naturschauspiel dauerte aber nicht lange, die Luft war angenehm abgekühlt und die erschöpften Wanderer hatten eine ruhige Nacht.

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Das Hambacher Schloss, die Wiege der deutschen Demokratie

Am 27. Mai 1832 fand dort das berühmte Hambacher Fest statt. Bürger der Pfalz aber auch aus anderen Territorien (ein geeintes Deutschland gab es noch nicht, die Pfalz war bis 1815 sogar französisch) zogen zur Burg und forderten die nationale Einheit Deutsch­lands sowie ein „conföderiertes republikanisches Europa“, Presse-, Meinungs-, Versammlungsfreiheit, die Gleichberechtigung der Frauen.

Diese Forderungen klingen überraschend aktuell. Es drängt sich die Frage auf, ob Deutschland der Wiege jemals entwachsen ist…

Die Vorgeschichte:

Die Pfälzer hatten bis 1815 die Freiheiten des Code Napoléon genossen, besaßen das Recht auf Freiheit der Person, des Eigentums und des Ge­werbes, die Richter waren unabhängig und die Gerichts­verfahren öffentlich, in Strafprozessen urteilten Geschworenengerichte. Dann fiel die Rheinpfalz an das viel rückschrittlichere Königreich Bayern. Die Freiheiten waren weg und hohe Zölle und Steuern belasteten die zuvor florierende Wirtschaft.

Auch das hat Parallelen zur aktuellen gesellschaftlichen Situation…

In Frankreich kam es zur Juli-Revolution von 1830 und die Polen lehnten sich gegen die russische Fremdherrschaft auf. In der Pfalz entstanden sogenannte Polen-Vereine, um deren Frei­heitskampf zu unterstützen. Als dieser in Polen niedergeschlagen worden war, emigrierten viele Polen in den deutschen Südwesten und nach Frankreich.
Als Reaktion auf die Juli-Revolution verschärfte der bayerische König ab 1830 die Zensur der Zeitungen, ließ liberale Staatsdiener maßregeln und die Vereins- und Versammlungsfreiheit einschränken.

Dasselbe Muster, immer noch…

Aus Protest gegen diese Entwicklung grün­deten die Publizisten Philipp Jakob Siebenpfeiffer (1789-1845) und Johann Georg August Wirth (1798-1848) Anfang des Jahres 1832 den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“, der in kürzester Zeit 5.000 Mitglieder zählte.

Wenig später luden 32 Neustadter Bürger, 20 davon vom „Preß- und Vaterlandsverein“, unter dem Vorwand den Jahrestag der bayerischen Verfassung, den 26. Mai, zu feiern, auf das Hambacher Schloss ein. Ge­meinsam mit allen „deutschen Stämmen“ sollte neben dem Gedenken an die Verfassung über die politische Zukunft Deutschlands beraten werden.

Das Fest:

Abend des 26. Mai 1832 ging es los mit dem Gedenken der Verfassung, aber es dauerte den ganzen nächsten Tag, den 27. Mai, den Tag der in die Geschichte eingegangen ist. 30.000 Menschen kamen, aus der Pfalz und anderen deutschen Territorien - Männer und Frauen aus unterschiedlichen ge­sellschaftlichen Schichten, außerdem Delegationen aus Frankreich und Freiheitskämpfer aus Polen.

Zur Hymne des Festes wurde Lied „Hinauf Patrioten zum Schloß, zum Schloß!“ Aber man machte auch noch anders auf sich aufmerksam, alle Glocken von Neustadt läuteten, es gab mehrstündige Geschützfeuer und Freudenfeuern auf den höchsten Punkten des Haardtgebirges.

Ein Festzug bewegte sich vom Neustadter Marktplatz zur Schlossruine nach Hambach. Polnische Fahnen wurden neben schwarz rot goldenen Flaggen zur Burg hochgetragen. Es gab Musik und viele Reden. Es wurde diskutiert und gestritten, aber es wurde auch richtig gefeiert. Ein richtiges Volksfest eben, ein „Nationalfest der Deutschen“.

In vielen politische Reden wurde über eine politischen Reform Deutschlands gesprochen. Der Wunsch nach einer Einigung Deutschlands wurde laut, es gab die Forderungen nach einer konstitutionellen Monarchie oder sogar nach der Demokratie als Regierungsform.  Ein Redner rief dazu auf, dass sich die Deutschen nicht mehr, wie Knechte, unter das Joch ihrer Fürsten beugen sollten. Er prophezeite ein wirtschaftlich geeintes Europa, in dem Frauen und Männer gleichberechtigt seien und in dem das Volk seine nationale Einheit durchsetzen werde. Ein anderer warnte aber auch vor einem möglichen Hegemoniestreben Frankreichs.

Ebenfalls etwas Vertrautes, die Namen wechseln, das Handeln bleibt gleich…

Das Nachspiel:
Als Reaktion auf das Hambacher Fest ließ der bayerische König, auch auf Drängen des österreichischen Staatskanzlers Metternich, bayerische Truppen in der Pfalz einrücken. So wurden in kurzer Zeit, die fortschrittlichen Bestrebungen in der Pfalz unterdrückt. Viele Freiheitskämpfer wurden vor Gericht gestellt, einige konnten ins Ausland fliehen. Und wenn ein Gericht nicht im Sinne der Obrigkeit entschied, gab es einen an den Haaren herbei gezogenen zweiten Prozess, um die Demokraten mundtot zu machen.

Und wieder ist das Muster seltsam vertraut…

 

❤️ Wir danken allen bisherigen Unterstützern ganz herzlich für ihre Hilfe - für die Fortführung unserer Arbeit freuen wir uns über Zuwendungen, um den Weg zum Chiemsee im Herbst weiterhin gut meistern zu können 😊 https://unsere-verfassung.de/index5-Wir-Spenden.htm
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